Kunst am Bau der DDR
Baubezogene Kunst im öffentlichen Raum
Episode 23 I Januar 2021
Worum geht es in dieser Folge?
Was ist Kunst am Bau oder baubezogenen Kunst der DDR eigentlich? Worin lag die Notwendigkeit einer umfassenden künstlerischen Ausgestaltung des öffentlichen Raums in der DDR? Wie war der Schaffensprozess? Was macht die Kunst erhaltenswert und wie gehen wir mit diesem Erbe heute um?
Die sogenannte “Kunst am Bau” als staatliche Förderungsmaßnahme, welche bildende Kunst mit staatlichem Hochbau zusammenbringt, gibt es seit der Weimarer Republik. Nach dem Zweiten Weltkrieg nehmen beide deutschen Staaten dieses Konzept wieder auf (BMVBS 2011). Doch besonders in der DDR spielt sie in den neuen politischen Verhältnissen eine besondere Rolle. Sie verleiht der idealisierten sozialistischen Gesellschaft über die Bildsprache Ausdruck.
In den frühen Jahren der DDR sind die Form und der Inhalt der künstlerischen Ausgestaltung des öffentlichen Raums stark von sozialistischen Sujets und gegenständlichen Darstellungen geprägt (Guth 1995). Ein gutes Beispiel hierfür ist die erste große Wiederaufbauleistung der DDR: der erste Bauabschnitt der Stalinallee – der heutigen Karl-Marx-Allee – in Berlin Friedrichshain.
Ab den 1960er Jahren ändert sich die Baupolitik der DDR. Die Schaffung neuen Wohnraums mittels industrieller Bauverfahren steht im Vordergrund. Zeitgleich wandelt sich auch die Kunst am Bau der DDR. Aus der Begrifflichkeit “Kunst am Bau” wird “baubezogene Kunst” (BMVBS 2010). Dadurch wird die Ausweitung des Wirkbereichs der Kunstwerke deutlich. Im Unterschied zur BRD, wo sich die Kunst am Bau häufiger in direktem Bezug zum Gebäude befindet, entweder im Inneren, an der Fassade oder auf dem umgebenden Bauareal, wurde in der DDR der Anspruch angelegt, den gesamten städtischen Raum künstlerisch auszugestalten (BMVBS 2010).
Welche Ausmaße die künstlerische Gestaltung annehmen konnte zeigt heute noch die Großwohnsiedlung Halle-Neustadt. Der Sozialwissenschaftler und Zeithistoriker Peer Pasternack zählt bspw. 184 Kunstwerke in Halle-Neustadt und evaluiert sie nach ihrem politischen Gehalt. Dabei ließen sich nur 23 Prozent der untersuchten Werke als politische Botschaften lesen (Pasternack 2019). Ist die baubezogene Kunst der DDR also unpolitisch? Dies gilt es herauszufinden. Hierbei interessiert uns besonders das Spannungsfeld zwischen staatstragender Propaganda und dekorativem Bauschmuck. Deshalb sind wir mit drei Expert*innen zusammengekommen, die uns jeweils ihre Sicht auf die Kunst am Bau der DDR näherbringen.
30 Jahre sind seit dem Ende der DDR vergangen. Mit einer gewissen zeitlichen Distanz wird diese Form der künstlerischen Produktion der DDR im öffentlichen Raum neu diskutiert und bewertet. So gibt es mittlerweile Symposien, Blogs, Radio- und Zeitungsbeiträge zum Thema der baubezogenen Kunst der DDR. Durch die Sozialen Medien hat das Thema eine ganz neue Dynamik bekommen. Auch die wissenschaftliche Debatte um die kulturhistorische Relevanz dieser Werke scheint 30 Jahre nach dem Ende des politischen Systems – in dem diese Kunst entstanden ist – wieder aufzuleben.
Idee und Konzept
Lennart Ende
Christopher Pflug
Abhinav Thakar
Diese Folge entstand im Sommersemester 2020 in Kooperation mit dem Center for Metropolitan Studies (CMS) an der TU Berlin im Rahmen eines Projektseminars des Masterstudiengangs "Historische Urbanistik".
Interviewpartner*innen
Dr. Paul Sigel ist habilitierter Kunsthistoriker und Stadtforscher. Er beschäftigt sich in seiner Forschung u.a. mit urbanen Identitätskonstruktion an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert und ist Experte für die Transformationsgeschichte des Alexanderplatzes in Berlin.
Martin Maleschka ist studierter Architekt und fotografiert seit 2005 die baubezogene und baugebundene Kunst der DDR. Er kuratiert mehrere Instagram-Kanäle und bietet mit seinem fotografischen Archiv eine unentbehrliche Quelle für die zeitgenössische Forschung der baubezogenen Kunst der DDR. Zudem veröffentlichte er im Jahr 2019 bei DOM-Publishers den Titel “Baubegzogenen Kunst DDR. Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990” mit einer Auswahl von 120 Werken aus der ehemaligen DDR.
Gertraude Pohl ist bildende Künstlerin und ist seit 1965 in Berlin tätig. Neben der Mitarbeit an der künstlerischen Ausgestaltung des Stadtzentrums Ostberlins schuf sie eine bemerkenswerte Anzahl von Kunstwerken, die in den öffentlichen Raum gelangten. Zwischen 1978 und 1988 hatte sie außerdem eine Lehrstelle an der Kunsthochschule Weißensee inne. Seit der Wende widmet sie sich hauptsächlich Kunstinstallationen und diversen Ausstellungsformaten.
Quellen & mehr zum Thema
BMVBS (2011). Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, Berlin. Verfügbar hier.
Guth, P. (1995). Wände der Verheißung. Zur Geschichte der architekturbezogenen Kunst in der DDR. Leipzig: Thom Verlag.
Pasternack, P. (2019). Die größte Freiraumgalerie der DDR. Kunststadt Halle-Neustadt. In: Martin Maleschka (Hrsg.): Baubezogene Kunst DDR. Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990. (S. 28-41) Berlin: DOM-Publishers.
Topfstedt, T. (2010). Baubezogene Kunst in der DDR. In: BMVBS (Hrsg.): 60 x Kunst am Bau aus 60 Jahren. (S. 28-40). Berlin. Verfügbar hier.